• Do. Apr 25th, 2024

Start-up-Unternehmer regen «Disziplinierung der Presse» an

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie in Berlin. (Urheber/Quelle/Verbreiter: picture alliance / dpa)

Ein Positionspapier deutscher Start-up-Unternehmer, die das Bundeswirtschaftsministerium beraten, hat die «Disziplinierung der Presse» empfohlen und damit Empörung ausgelöst. Journalistenvertreter reagierten mit harscher Kritik.

Das Papier war ohne Wissen des Hausherren Peter Altmaier (CDU) längere Zeit auf der Webseite des Ministeriums veröffentlicht, nun wurde es gelöscht.

Die Autoren vom Beirat Junge Digitale Wirtschaft beraten Altmaier gewöhnlich «aus erster Hand zu aktuellen Fragen der digitalen Transformation», wie auf der Webseite zu lesen steht. Das «Handelsblatt» hatte das Papier von Mitte April 2021 am Montagabend veröffentlicht. Altmaier distanzierte sich umgehend. Der Deutsche Journalisten-Verband sprach von «völlig absurden Forderungen».

Verpflichtende Börsen-Berichterstattung gefordert

Das Papier, das jetzt nicht mehr online steht, beklagt die niedrige Zahl der Börsengänge im Vorjahr. In dem Kontext wird auch ein «Bashing», also ein abwertendes Verhalten, angeprangert, das sich unter Finanzredakteuren bei Berichten über Börsengänge verbreitet habe. Eine der «Empfehlungen» dazu lautet «die Disziplinierung der Presse zu sachlicher, richtiger und vollständiger Information, bewehrt durch Pflicht zur unverzüglichen Gegendarstellung bei Fehlinformation» sowie einen «Erlass von Regeln zur Vermeidung einseitig diffamierender Artikel». Des Weiteren soll die Presse verpflichtet werden, auch über kleinere Börsengänge zu berichten. Unterzeichnet haben drei Vertreter der digitalen Gründerszene.

Einer von ihnen, Investor Christoph Gerlinger von der German Startups Group, entschuldigte sich bei allen Journalisten und bot Altmaier seinen Rücktritt aus dem Beirat an, den Altmaier kurz darauf annahm. Gerlinger schrieb, er «übernehme die Verantwortung dafür, dass eine unpassende und missverständliche Formulierung von mir aus einem frühen Teilkonzept des Positionspapiers aufgrund eines handwerklichen Fehlers in der finalen, veröffentlichen Fassung gelandet ist. Diese Formulierung entspricht weder der Position des Beirats noch der der Mit-Autoren noch der von mir.»

Ein weiterer Unterzeichner, der Chef des High-Tech Gründerfonds, Alex von Frankenberg, übte ebenfalls Selbstkritik: «Auch ich hätte das Positionspapier vor der Veröffentlichung noch einmal persönlich prüfen müssen. Es tut mir leid, dass ich das versäumt habe.»

Der Vorsitzende des Beirats Junge Digitale Wirtschaft, Christian Vollmann, schrieb in einem offiziellen Statement des Gremiums: «Die dort formulierten Absätze entsprechen in keiner Weise der Position des Beirats. Wir distanzieren uns davon deutlich. Unser Fehler als Beirat ist, dass unsere internen Kontrollmechanismen versagt haben.»

Altmaier: «Hat auf der Homepage nichts zu suchen»

Altmaier sagte am Dienstag, die betreffende Passage des Papiers sei «mit dem Grundrecht auf Pressefreiheit nicht vereinbar». Der Minister betonte: «Das missbillige ich ausdrücklich, und sowas hat auf der Homepage des BWMI nichts zu suchen. Ich habe deshalb gestern Abend, als ich von dem Vorgang erfahren habe, angeordnet, dass dieser Beitrag umgehend von der Homepage des BWMI entfernt werden soll.» Er habe seine Mitarbeiter um Aufklärung gebeten. «Die Pressefreiheit ist ein herausragendes Grundrecht, dessen Schutz wir alle verpflichtet sind. In diesem gemeinsamen Verständnis müssen wir handeln», ergänzte er.

Ein DJV-Sprecher sagte in Berlin der Deutschen Presse-Agentur: «Dieses Papier zeigt, dass der Beirat offenbar überhaupt keine Kenntnisse über das Grundrecht der Pressefreiheit hat – und das ist das eigentlich Erschreckende.» Die Journalistengewerkschaft dju stellte heraus, es sei «eine elementare Aufgabe von Journalistinnen und Journalisten, die Wirtschafts- und Finanzbranche kritisch unter die Lupe zu nehmen, um Misswirtschaft und Verfehlungen aufdecken zu können». dju-Bundesgeschäftsführerin Monique Hofmann sagte der dpa: «Wer das negiert, hat offenbar nicht verstanden, welche Bedeutung die Pressefreiheit und die Medien für eine funktionierende Demokratie haben. Dass ein Beratungsgremium eines Bundesministers Medien praktisch unter staatliche Kontrolle stellen will, gibt sehr zu denken.»