Das Handwerk blickt mit großen Sorgen auf das neue Jahr. «Ich möchte keinen Alarmismus betreiben. Aber die Stimmung ist sehr schlecht», sagte Jörg Dittrich, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH), der Deutschen Presse-Agentur. Er forderte Reformen für mehr Wirtschaftswachstum. «Die Demokratie hat immer geliefert, wenn sie musste. Jetzt ist wieder so ein Moment, in dem wir liefern müssen, wenn wir unsere Freiheit und unsere Demokratie erhalten wollen.»

Die deutsche Wirtschaft befindet sich in einer jahrelangen Schwächephase. Auch im neuen Jahr wird kein spürbarer Aufschwung erwartet.

Vertrauensvorschuss aufgebraucht?

Die Bundesregierung sei mit einem hohen Erwartungsdruck, aber auch mit einem erheblichen Vertrauensvorschuss gestartet, sagte der Handwerkspräsident. «Von dieser Euphorie ist, vorsichtig formuliert, viel verloren gegangen. Wir sind in der Mühe der Ebene angekommen. Umso wichtiger ist es, dass sich Politik und Gesellschaft bewusst machen, dass die Dringlichkeit von Reformen nicht nachgelassen hat.» Deutschland stehe international in einem knallharten Wettbewerb.

Warnung vor «Verteilungskämpfen» 

«Es geht um ein Gesamtpaket, das wir entschlossen angehen müssen», forderte Dittrich. «Spätestens 2026 dürfen wir uns nicht länger davor drücken. Wenn wir jetzt nicht handeln, verschärfen sich die Verteilungskonflikte weiter mit spürbaren Wohlstandsverlusten, die wir bereits heute erleben: Arbeitsplätze gehen verloren, und die Finanzierung unserer Krankenkassen gerät zunehmend unter Druck.» 

Deshalb seien jetzt alle gefordert, die Verantwortung tragen, dieser auch gerecht zu werden, Reformentschlossenheit zu zeigen und wahrzunehmen. «Wir alle müssen raus aus einer gewissen Bequemlichkeit und Vollkasko-Mentalität. Denn wenn wir nichts ändern, drohen weiterer Abschwung, härtere Verteilungskämpfe», sagte Dittrich. Das stärke am Ende Populismus. 

«Für die innere Verfasstheit unserer Gesellschaft und Demokratie ist es wichtig, dass die Wirtschaft wieder ins Wachstum kommt, damit wir die ökonomische Basis haben, um unsere Werte und Ansprüche an ein Sozialsystem umsetzen zu können», sagte Dittrich. 

Flexiblere Arbeitszeiten

«Wir müssen insgesamt flexibler werden. Ein Beispiel ist die Arbeitszeit-Flexibilisierung. Ich kenne die Sorgen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Aber mein Ansatz ist: „Lassen Sie es uns einfach mal ausprobieren“», sagte der Verbandspräsident. «Und wenn wir sehen, dass es zu Fehlentwicklungen kommt, dann müssen wir gegensteuern.» 

Im Koalitionsvertrag hatten CDU, CSU und SPD angekündigt, die Möglichkeit einer wöchentlichen anstatt einer täglichen Höchstarbeitszeit zu schaffen. Gewerkschaften lehnen dies ab und warnen vor einer Aufweichung des Arbeitszeitgesetzes. 

Dittrich nannte Vertrauen als weiteren Punkt: «Davon wird in der Politik jetzt häufig gesprochen, aber in den Amtsstuben ist es oft nicht angekommen. Dort wird an Kontrollen, Nachweisen und Dokumentationspflichten festgehalten. Wir brauchen wieder mehr Vertrauen in unternehmerisches Arbeiten und Handeln.»

«Stilles Sterben von Betrieben»

Im Handwerk gebe es derzeit eher eine Seitwärtsbewegung. «Der Beschäftigungsabbau ist nicht so stark wie in der Industrie, aber auch im Handwerk verlieren wir Arbeitsplätze, in der Regel nur leiser und schleichend durch das stille Sterben von Betrieben. Die Sorgenfalten sind in vielen Handwerksbranchen genauso tief.» Das Handwerk gewinne aber weiter an Attraktivität. Das zeige sich in den im Gegensatz zu anderen Wirtschaftsbereichen leicht steigenden Ausbildungszahlen. 

Das Lohnniveau werde weiter steigen, nicht nur wegen des Mindestlohns, sondern auch durch den Wettbewerb um Fachkräfte infolge des demografischen Wandels, sagte der ZDH-Präsident. «Das wird sich auch auf die Preisentwicklung auswirken. Es ist nicht realistisch zu erwarten, dass Handwerkerleistungen künftig günstiger werden.»