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Stillstand auf der Schiene und am Verhandlungstisch

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Nov 16, 2023
Ein Regional-Express der Deutschen Bahn (DB) steht an einem menschenleeren Bahnsteig im Hauptbahnhof Oldenburg. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Hauke-Christian Dittrich/dpa)

Für Fahrgäste dürfte nach dem 20-stündigen Warnstreik der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) am Mittwoch und am Donnerstag vor allem die Ungewissheit bleiben. GDL-Chef Claus Weselsky hat mit dem kurzfristig ausgerufenen Arbeitskampf gezeigt, dass jederzeit mit solchen Aktionen zu rechnen ist. Weitere Warnstreiks schloss er nicht aus.

«Zum jetzigen Zeitpunkt kann ich das nicht», sagte er der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag in Schwerin bei einer Gewerkschaftskundgebung.

Tausende Zugausfälle

Im Raum steht nach dem ersten Warnstreik vor allem die Frage nach einer möglichen Urabstimmung unter den Gewerkschaftsmitgliedern über unbefristete Streiks, die Weselsky schon vor Beginn des Tarifkonflikts vergangene Woche immer wieder ins Spiel gebracht hatte. «Das haben wir jetzt zu entscheiden», sagte der Gewerkschaftschef der dpa. «Wir warten den heutigen Tag ab, ob die Arbeitgeberseite bei ihrer Verweigerungshaltung bleibt.»

Die GDL hat am Mittwoch und am Donnerstag weite Teile des Bahnverkehrs in Deutschland zum Erliegen gebracht. Tausende Züge fielen aus. Betroffen waren sowohl der Fern-, Regional-, und Güterverkehr. Die Bahn hatte nach der Warnstreikankündigung am Dienstag kurzfristig einen Notfahrplan erstellt. Im Fernverkehr war lediglich jeder fünfte ICE- und IC-Zug in der Zeit des Arbeitskampfes unterwegs.

Im Regionalverkehr waren die Auswirkungen des Warnstreiks unterschiedlich, in einigen Regionen fuhr am Donnerstagmorgen zunächst so gut wie kein Zug mehr. Gegen 10.45 Uhr teilte die Bahn dann mit, dass inzwischen bis auf sehr wenige regionale Ausnahmen «überall ein zumindest eingeschränktes Zugangebot» sichergestellt sei. «Zum Teil fährt ein Busnotverkehr», hieß es. Weil sich auch Fahrdienstleiter am Ausstand beteiligten, die den bundesweiten Verkehr auf der Schiene koordinieren, kam es auch zu Einschränkungen bei anderen Verkehrsunternehmen, die nicht direkt bestreikt wurden.

Rückstau im Güterverkehr

Am weitreichendsten waren die Auswirkungen im Güterverkehr. Die Bahn ging von einem Rückstau von mehreren hundert Güterzügen mit teilweise dringlicher Terminfracht aus. Nach Streikende soll es mehrere Tage dauern, bis dieser Stau abgebaut ist.

Viele Fahrgäste hätten sich trotz der kurzfristigen Ankündigung auf den Arbeitskampf eingestellt, sagte Bahnsprecher Achim Stauß am Donnerstag. Viele hätten Fahrten vorgezogen oder auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Nach dem Warnstreik setzt die Deutsche Bahn auf einen guten Start im Schienenverkehr am Freitag. «Unsere ganze Priorität liegt darauf, morgen, an diesem wichtigen Freitag, den Verkehr wieder in Gang zu bringen», sagte Bahn-Sprecher Achim Stauß am Donnerstag am Berliner Hauptbahnhof. Bis zum Betriebsbeginn sollte der Verkehr wieder weitgehend reibungslos laufen.

Wie es in dem Tarifkonflikt in den nächsten Tagen weiter geht, blieb offen. Die Bahn hatte die für diesen Donnerstag und Freitag angesetzte zweite Verhandlungsrunde nach der Warnstreikankündigung der GDL abgesagt. Das nächste Treffen ist für kommende Woche terminiert. Ob beide Seiten daran festhalten, war zunächst unklar. «Das haben wir noch zu bewerten, das ist noch offen», sagte Weselsky. «Ich kann das nicht vorwegnehmen, ich weiß nicht, was die Herren treibt», ergänzte Weselsky mit Verweis auf die Arbeitgeberseite. «Ich kann nur darauf verweisen, dass wir Verhandlungen vereinbart haben.»

GDL fordert die Absenkung der Arbeitszeit

Die Bahn nannte den Warnstreik erneut «verantwortungslos». «Das ist eine Zumutung für unsere Fahrgäste», sagte Konzernsprecher Stauß. «Wir müssen am Verhandlungstisch zu Lösungen kommen, nicht durch Streiks.»

Die Gewerkschaft fordert unter anderem 555 Euro mehr pro Monat sowie eine Inflationsausgleichsprämie. Knackpunkt der Verhandlungen ist indes die Forderung der GDL nach einer Absenkung der Arbeitszeit von 38 auf 35 Wochenstunden für Schichtarbeiter bei vollem Lohnausgleich. Die Bahn lehnt das als unerfüllbar ab. Sie bietet bislang eine elfprozentige Entgelterhöhung bei einer Laufzeit von 32 Monaten und die von der GDL geforderte Inflationsausgleichsprämie. Von einer Einigung sind beide Seiten nach einer ersten Verhandlungsrunde vergangene Woche und dem ersten Arbeitskampf noch weit entfernt.

Von Fabian Nitschmann und Matthias Arnold, dpa