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BGH gibt Leitplanken für Diesel-Verfahren gegen Daimler vor

Tausende Besitzer eines Mercedes-Diesel werfen Daimler wegen des Thermofensters, das die Abgasreinigung bei geringen Außentemperaturen reduziert, die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung vor. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Marijan Murat/dpa)

Diesel-Besitzer dürften es mit der Forderung nach Schadenersatz vom Autobauer Daimler wegen der Abgasaffäre deutlich schwerer haben als im Fall von VW – ausgeschlossen sind Ansprüche aber nicht.

Der Bundesgerichtshof (BGH) veröffentlichte eine erste Entscheidung zum sogenannten Thermofenster. Damit geben die Karlsruher Richter die Richtung vor für die noch folgenden Verfahren gegen den Stuttgarter Konzern vor dem höchsten deutschen Zivilgericht (Az. VI ZR 433/19, Beschluss vom 19. Januar 2021).

Tausende Besitzer eines Mercedes-Diesel werfen Daimler wegen des Thermofensters, das die Abgasreinigung bei geringen Außentemperaturen reduziert, die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung vor. Entwicklung und Einsatz eines solchen Thermofensters allein begründeten aber noch keinen Anspruch auf Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung, entschieden die Richter. Das gelte selbst dann, wenn die Technik tatsächlich als unzulässig einzustufen sei und Daimler damit habe Kosten senken und Gewinne erzielen wollen.

Sittenwidrig sei das nur dann, wenn weitere Umstände hinzukämen, die das Verhalten der handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen ließen, betonte der BGH. Es müsse festgestellt sein, dass sie «in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen».

Der Fall sei auch nicht vergleichbar mit dem von VW. Hier hatte der BGH in einem Grundsatz-Urteil im Mai 2020 eine sittenwidrige Schädigung gesehen, weil der Konzern bei der Abgasreinigung eine Funktion eingebaut hatte, die erkennt, ob das Fahrzeug auf dem Prüfstand getestet wird. Ein derartiges «arglistiges Vorgehen» sei bei Daimler nicht zu erkennen, hieß es jetzt.

Erledigt ist das Thema Diesel-Klagen und möglicher Schadenersatz für Daimler damit allerdings nicht. Der BGH will sich im März ausführlicher damit beschäftigen. Zweimal war bereits eine Verhandlung angesetzt. Beide kamen jedoch nicht zustande, weil die Kläger ihre Revision gegen ein vorangegangenes Urteil jeweils kurzfristig zurückgezogen hatten.

In dem Fall jetzt ging es um eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision gegen ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Köln. Diese Gelegenheit nutzten die Richter, um vorab schon einmal ihre Position öffentlich zu machen. Der Kläger hatte im Januar 2012 eine Mercedes C-Klasse mit Dieselmotor gekauft, für die kein amtlicher Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamtes vorliegt.

Obwohl auch die Kölner Richter keinen Schadenersatz-Anspruch erkannt und die Klage abgewiesen hatten, müssen sie sich nun noch einmal mit dem Fall befassen. Aus Sicht des BGH waren sie dem Vorwurf des Klägers, Daimler habe im Typgenehmigungsverfahren für das Auto unzutreffende Angaben über die Arbeitsweise der Abgasrückführung gemacht, nicht ausreichend nachgegangen. Dazu werde das OLG zunächst Daimler «Gelegenheit zur Erwiderung auf dieses Vorbringen geben müssen».

Der Autobauer hält einen Großteil der Klagen mit der Einschätzung aus Karlsruhe trotzdem für weitgehend abgeräumt. «Wir gehen davon aus, dass die Entscheidung des BGH Leitcharakter für Tausende von Gerichtsverfahren in Deutschland haben wird», sagte ein Sprecher. Karlsruhe habe in der Sache die überwiegende Rechtsprechung der Land- und Oberlandesgerichte bestätigt. «Aus unserer Sicht und aus Sicht vieler Experten sind Thermofenster technisch notwendig und haben nichts mit einer Täuschungsabsicht zu tun.» Man sei zuversichtlich, dass das OLG Köln die Klage erneut abweisen werde.

Auch die Gegenseite bewertete die Entscheidung positiv. «Der Bundesgerichtshof ist dem Vorgehen einiger Oberlandesgerichte entgegengetreten, die Ansprüche wegen Verwendung des Thermofensters pauschal zurückgewiesen haben. Das ist nach dieser Entscheidung nicht mehr haltbar», erklärte Rechtsanwalt Sebastian Steffens von der Kanzlei Von Rüden, die nach eigenen Angaben den Kläger vertritt. «Wir gehen davon aus, dass die Daimler AG in den Verfahren nun ihrerseits mehr liefern muss.»